Disruption der Rahmenbedingungen für den produzierenden Mittelstand

24. Mai 2024 durch
Disruption der Rahmenbedingungen für den produzierenden Mittelstand
Dieter Hahn

Disruption der Rahmenbedingungen für den produzierenden Mittelstand

#Autor: Dieter Hahn#

“On-demand manufacturing platforms take the business model of Amazon in retail, Uber in transportation and AirBnB in lodging and apply it to the manufacturing sector.” (Langefeld 2023)

Das ist die Kernaussage eines Artikels des Beratungsunternehmens Roland Berger aus dem Oktober 2023, mit der die Autoren auf die aktuell enormen Umwälzungen der Rahmenbedingungen für den produzierenden Mittelstand in Deutschland aufmerksam machen. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt ebenfalls im Oktober 2023 die Non-Profit-Organisation Sirris, die belgische Technologieunternehmen beratend unterstützt, in einem White Paper, in der sie das aufkommende Konzept „Manufacturing as a Service" (MaaS) eingehend erläutert (Kesteloot 2023). Sowohl der Artikel von Roland Berger als auch das White Paper von Sirris zeichnen ein Bild von tiefgreifenden Veränderungen für den Mittelstand im produzierenden Gewerbe, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Ausführlich beschrieben wird darin, wie sich der Wettbewerb in der Zulieferindustrie heute dramatisch verändert, da neue Akteure mit Online-Diensten und Bündelung von Produktionskapazitäten den Markt immer stärker und schneller erobern. On-Demand-Fertigungsplattformen revolutionieren somit eine ganze Branche. Hinzu kommen dann noch die aktuellen Herausforderungen für den deutschen Mittelstand: 

  • Die Transformation der Mobilität und deren erhebliche Auswirkungen auf die Zulieferindustrie,
  • eine Verlagerung der Serienfertigung aus Deutschland in andere Länder,
  • eine lähmende Bürokratie und die Berichtspflichten im Zusammenhang mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (CSRD),
  • die fortschreitende Digitalisierung in allen Branchen
  • ein übergreifender Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften und
  • die gesellschaftlichen Veränderungen in Bezug auf die Arbeitswelt generell.

All dies zwingt die Unternehmen dazu, sich anzupassen, sonst verlieren sie den Anschluss. Firmen mit traditioneller Produktion und langen Angebots- und Lieferzeiten werden wohl bald nicht mehr konkurrenzfähig sein.

In den letzten Jahren haben On-Demand-Herstellungsplattformen einen Multi-Milliarden-Euro-Sektor geschaffen. Diese Plattformen spezialisieren sich auf verschiedene Produktionstechnologien, geografische Regionen und unterschiedliche Kundensegmente. Trotz dieser Unterschiede funktionieren sie nach einem ähnlichen Prinzip: Kunden laden ein 3D-Modell des gewünschten Teils hoch, spezifizieren die Anforderungen und erhalten umgehend oder nahezu umgehend ein Preisangebot. Der Auftrag wird dann an einen geeigneten Hersteller innerhalb des Plattformnetzwerks weitergeleitet, der das Teil produziert und an den Kunden liefert. Dies eliminiert die Notwendigkeit für den Kunden, mit verschiedenen Herstellern in Kontakt zu treten, verbessert die Transparenz der beteiligten Prozesse und gewährleistet eine erstklassige Qualität des gefertigten Produkts.

Andy Grove, der von 1987 bis 1998 als CEO von Intel tätig war, äußerte einst: „In einigen Jahrzehnten wird es 2 Kategorien von Unternehmen geben...die schnellen und die toten!" (Grove 1999).

Auch wenn er seinerzeit die Vorhersage auf die generelle Entwicklung von Internet-Unternehmen bezog, werden zwei Schlüsselaspekte deutlich, die heute mehr denn je von Bedeutung sind: Tempo und Transparenz. 

Kunden erwarten rasche Lieferung und wollen stets über den Status ihrer Bestellungen informiert sein. Es ist unwahrscheinlich, dass „Manufacturing-on-Demand“ oder „Manufacturing-as-a-Service“ die Zukunft dominieren, aber sie werden in naher Zukunft den Takt der Veränderung vorgeben. Für ein produzierendes Unternehmen ist es daher essenziell, sich so auszurichten, dass der Kunde sein gewünschtes Produkt termingerecht erhält. Gelingt dies, spielt es keine Rolle, ob das Produkt direkt oder über eine Online-Plattform verkauft wird. Auf den ersten Blick erscheinen diese Themen oft unlösbar, da die Zusammenhänge und Anforderungen sehr komplex wirken. Bei genauerer Betrachtung bieten jedoch die richtige Strategie und geeignete Technologie enorme Chancen, das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen.

Zu solchen Chancen für den deutschen Mittelstand gehören u.a.:

  • Die Eröffnung gänzlich neuer Märkte durch die Transformation der Mobilität,
  • eine „High Mix Low Volume“-Fertigung, für die Deutschland ausgezeichnete Voraussetzungen bietet,
  • eine Reduzierung der unternehmens-internen Bürokratie auf ein Minimum
  • eine Vereinfachung und Beschleunigung der Arbeitsabläufe durch die zunehmende Nutzung der Digitalisierung und den Einsatz von KI (Künstlicher Intelligenz) sowie
  • eine entsprechende Anpassung der Arbeitsmodelle an die neuen Bedürfnisse der Mitarbeiter (New Work) und damit einhergehend ein zukunftsgerichtetes Talentmanagement. 

Doch zur erfolgreichen Nutzung dieser Chancen bedarf es einer umfassenden Transformation der Geschäftsmodelle vieler mittelständischer Unternehmen des produzierenden Gewerbes. 

Ein möglicher Leitfaden zum Start einer solchen Transformation kann wie folgt aussehen:

1.     Die Bestimmung der aktuellen Unternehmenssituation inklusive einer Markt- und Wettbewerbsanalyse auf strategischer Ebene.

2.     Die Erstellung einer MCT (Manufacturing Critical Path Time), d.h. eine präzise, eindeutige und praktische Definition der Durchlaufzeiten bei der Fertigung.

3.     Eine zielorientierte Analyse der Zusammenhänge innerhalb der Unternehmensorganisation und der angebotenen Produktpalette.

4.     Die Entwicklung einer Veränderungsstrategie basierend auf dem Konzept des Quick Response Manufacturing (QRM) und Ableitung von entsprechenden Maßnahmen mit dem Mitarbeitenden im Mittelpunkt.

5.     Die pragmatische Umsetzung von Strategie und Maßnahmen in einem Pilotprojekt mit dem Ziel der langfristig unternehmensweiten Implementierung.

Unsere Experten von Exsperity kombinieren jahrzehntelange Erfahrungen mit modernsten Methoden und arbeiten in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden an den gemeinsam definierten Zielen. Kontaktieren Sie uns gerne unter www.exsperity.de.

 

Verwendete Quellen:

Langefeld, B. / Femmer, T. (2023): On-demand manufacturing platforms are taking the sector by storm - Key factors for a successful platform, Roland Berger 2023, Frankfurt https://www.rolandberger.com/en/Insights/Publications/On-demand-manufacturing-platforms.htm, abgerufen am 22.05.2024

Kesteloot, P. / Plollet, P. (2023): Manufacturing- as-a-Service  - Online, on-demand and super-fast delivery, White Paper Sirris 2023, Belgien; https://www.sirris.be/system/files/documents/2023-12/White%20Paper%20MaaS%20en.pdf, abgerufen am 22.05.2024

Grove, A. (1999): Intel Keynote Transcript, Los Angeles Times 3rd Annual Investment Strategies Conference, May 22, 1999, https://www.intel.com/pressroom/archive/speeches/cn052499.htm, abgerufen am 22.05.2024

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Dieter Hahn 24. Mai 2024
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